VSM Training

Das Viable System Model

VSM System 1

Über das VSM

Das Viable System Model (VSM; deutsch Modell lebensfähiger Systeme) wurde 1959 von Stafford Beer in seinem Buch Kybernetik und Management erstmals formuliert. Es dient als Referenzmodell zur Beschreibung, Diagnose und Gestaltung des Managements von Organisationen, das die Managementfunktionen auf jeder Organisationsebene erfasst, den Informationsfluss zwischen den Organisationsebenen darstellt und hilft, zielführende Fragen zu stellen.

Lebensfähig heisst bei einem System, dass sich dieses System an äußere und innere Änderungen anpassen können. Es muss lernen wahrzunehmen, aus Veränderungen lernen, diese sinnvoll verwerten, sich selbstständig weiterzuentwickeln. Dabei darf es die eigene Identität nicht aufgeben.

S. Beer formuliert die Lebensfähigkeit wie folgt: Nicht Gewinnmaximierung, sondern Überleben muss das Ziel sein. Nicht die Führung von Menschen, sondern das Lenken bzw. Steuern und Regulieren ganzer Organisationen in ihrer Umwelt ist entscheidend. Nicht wenige Menschen managen, sondern alle müssen bestimmte Funktionen des Managements ausüben.

Stafford Beer arbeitete sein ganzes Leben weiter an dem Modell und der systemtheoretischen Modellierung von Organisationen und darauf aufbauend auf innovativen Moderationstechniken, vor allem der Syntegration. Heute wird die Arbeit unter anderem in der gemeinnützigen Metaphorum Organisation fortgeführt.

Wir werden im VSM eine Menge der Begriffe wiederfinden, die in der Lean und Agilen Umgebung eine Rolle spielen.

Das VSM nimmt eine Menge der Prinzipien vorweg, die im Rahmen der agilen Entwicklung (wieder)-entwickelt wurden. Wie wir sehen werden, hat es eine breitere Grundlage und einiges an wissenschaftlicher Fundierung.

Reden über Systeme

Wir reden hier viel über Systeme – die in verschiedenen Kontexten vorkommen und verschiedene Fokussierungen repräsentieren:

  • System als nicht-zerlegbare Einheit, d.h. Das System kann nur als Einheit verstanden werden und ist mehr als die Summer der Komponenten
  • System in der Interaktion mit seiner Umwelt, oder wenn man so will, seiner ökologischen Nische

Ein solches Modell, das kybernetische Prinzipien der Steuerung auf Organisationen anwendet und organisatorische Nachhaltigkeit und Lebensfähigkeit verbessert, ist das Viable System Model (VSM). Das von Stafford Beer entwickelte VSM bietet einen umfassenden Rahmen, der es Unternehmen ermöglicht, ihre internen Entscheidungs- und Informationsprozesse zu verstehen und zu optimieren.

Viable – Überleben und Identität

Viable heisst wörtlich übersetzt lebensfähig. Im Kontext der Kybernetik ist allerdings mehr damit gemeint.

Gemeint ist, dass die Organisation (oder der Organismus) als Ganzes seine Identität bewahrt. Ein Beispiel für das Gegenteil wäre eine Nation, die zerfällt und nur eine lose Sammlung von Banden und Flüchtlingen hinterlässt.

Daher kann man im Umkehrschluss sagen, dass ein System seine Identität bewahren will – und dass wir im Fall von Organisationen eine Stelle finden müssen, die sich mit dem Erhalt befasst sowie diese weiter entwickelt, wenn sich die Umgebung (oder die Nische) verändert.

Viable – lebensfähig und nachhaltig

Wir haben Eingangs gesagt, dass man ein System und seine relevante Umgebung – oder Nische – als Gesamtheit betrachten muss.

Das heisst, ein System ist nur lebensfähig, wenn seine Umgebung fortbesteht.  Durch die integrierte Betrachtung der Umgebung (oder des geschäftlichen Ökosystems) wird der Begriff “lebensfähig” zu einem Synonym zu “nachhaltig”.

Damit kommen wir stark in die Nachhaltigkeitsdebatte. Das gilt nicht nur für den Fokus, in dem wir hier unterwegs sind – es wird nicht wesentlich deutlicher, wenn wir die Anwendungen in öffentlichen Bereichen wie das Design von Gesundheits- oder Bildungssystemen betrachten

Als Konsequenz werden wir sehen, dass wir die Betrachtung der Umgebung, vor allem der Kunden, aber auch der anderen Stakeholder, eng integrieren.

Viable – Adaptiv und resilient

Viable findet sich in einem Begriffsfeld, das verschiedene ähnliche Begriffe umfasst:

  • Resilient: kann mit Störungen umgehen und seine Funktion bewahren
  • Adaptiv: kann seine Funktion neuen Umständen anpassen
  • zwei Seiten derselben Medaille, in der Praxis in Organisationen eine ständige Herausforderung: übersetzt man das in Betrieb und Innovation, dann wird sofort klar, dass es sich um Ziele (und zum Teil um Menschen / Funktionen) handelt, die auf der einen Seite beide notwendig für das Überleben sind, die auf der anderen Seite aber ständig Handlungsoptionen produzieren, die miteinander in Konflikt stehen
  • beide sind Teil eines größeren Bilds: Lernfähigkeit
  • Anpassung und Resilienz sind die Voraussetzungen für Selbstorganisation, Selbstorganisation sichert Adaptivität und Resilienz

Was braucht eine lebensfähige Organisation

A learning organization is a co-evolving configuration of roles and tasks, which is mutually agreed upon and revised each time it is required, by its members, to adapt to a continuously changing environment

-– Angela Espinosa

Jetzt haben wir ein gewaltiges Fass aufgemacht: adaptiv und resilient, Selbstorganisation, Stabilität und Identität: – wir brauchen ein operatives System und Verantwortlichkeiten, um mit der Umgebung und ihrer Varietät umzugehen – und wir brauchen  – Damit wir das Ganze unter einen Hut bringen können, brqauchen wir die Subsysteme des VSM. Zuvor verweilen wir noch ein bisschen bei den Anforderungen, die sich an eine lebensfähige Organisation ergeben.

  • operative Rollen, die in der Lage sind, mit der Vielfalt ihrer lokalen Nischen umzugehen
  • Rollen in einem Metasystem (oder Management), die in der Lage sind, mit der Vielfalt der Operationen umzugehen
  • die adaptive und resiliente Organisation als Ganzes, die in der Lage ist, mit der Vielfalt der Umwelt umzugehen

VSM-Vokabular

Systeme und Kanäle

Im VSM-Vokabular gib es verschiedene Systeme – die Systeme 1 bis 5 – und eine Reihe von Kanälen bzw. Typen von Kanälen zwischen diesen Systemen. Die Notation ist am Anfang verwirrend, denn mit den einzelnen Systemen sind nicht immer Teile der Organisation gemeint, sondern sie können auch Gesichtspunkte oder Perspektiven bezeichnen.

Hinter den Kanälen steckt auch mehr als es zunächst scheint, wir werden das ebenfalls näher ausführen.

Die verschiedenen Systeme repräsentieren die verschiedenen Aspekte von Steuerung ind Kontrolle:

  • System 1: Das operative System, produktive Arbeit, also für das Beispiel eines Batterie-Startupsl das Liefern von Batterien und Solarzellen
  • System 2: tägliche Koordination
  • System 3: “Inside and Now”. Planung und Organisation der Arbeit
  • System 4: “Outside and Then”: Neuentwicklung, Marktforschung, neue Entwicklungen
  • System 5: Identität, Priorisierung: the ultimate Boss

Dazu kommt noch

  • System 3* (drei Stern): Interventionen

Das wichtigste System ist das System 1 – in Lean entspricht das dem Wertschöpfungsprozess. Die Systeme 1 und 2 repräsentieren die operative Arbeit, während die Systeme 3 bis 5 das Meta-System oder das Senior Management bilden.

Man muss sich beim Betrachten der einzelnen Systeme immer wieder vor Augen führen, dass es sich um Funktionen handelt, nicht um Rollen oder Personen. Das VSM-Diagramm ist nicht als Organigramm zu lesen, stattdessen als ein Netzwerk der Entscheidungs- und Kommunikationswege.Eine bessere Metapher als Organigramm wäre es, das VSM-Diagramm mit einem Nervensystem zu vergleichen.

Die Kanäle umfassen

  • vertikale Kanäle
  • horizontale Kanäle
  • der algedonische Kanal

Im Fokus

Im Fokus haben jetzt die Gesamtfirma und wir wollen betrachten, wie sie strukturiert sein muss, um wie das alte Team als viable System zu funktionieren.

Das heißt, dass sowohl die drei Bereiche einzeln jeweils lebensfähig sein müssen als auch das Gesamtsystem (Kenner von Lean werden das Muster leicht erkennen und die Parallele zu drei Wertströmen ziehen.).

Hinzugekommen sind einige neue Bereiche, die zu einem kompletten lebensfähigen System gehören.

Wir konzentrieren uns jetzt auf das neue Gesamtsystem, unser System in Focus. Für manche Zwecke benötigen wir auch die Betrachtung der Teilsysteme (S-1) und des übergeordneten Systems (S+1).

System in Focus (SiF): das System oder die Abstraktionsebene, die wir gerade gestalten. S(-1): die enthaltenen Teil-Organisationen S(+1): die übergeordnete Organisation

VSM ist fraktal

In Konsequenz kann man VSM dazu benutzen, die verschiedenen Ebenen einer Organisation mit denselben Methoden zu beschreiben und daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Das eröffnet ein immenses Potential von fundierten Analysen und Gestaltungsmöglichkeiten.

System 1: Umwelt, Operation, Management

Das operative System (System 1)

Der wichtigste Aspekt eines Systems ist das, was es tut. Es entspricht ungefähr dem, was in Lean der Wertstrom oder die Wertschöpfungskette ist.

Das System ist, was es macht.

— Stafford Beer

In VSM nennen wir diesen Aspekt das System 1, das operative System. Es beschreibt die direkte Verantwortlichkeit für die Lieferung einer spezifischen Dienstleistung oder eines Produkts.

Das System 1 steht im Zusammenhang mit seiner Umgebung und das System 1 braucht irgendeine Methode, sich zu organisieren: sein Steuerungssystem (oder Metasystem oder Management). Die Verbindung zwischen dem System 1 und der Umgebung bzw. seinem Steuerungssystem beschreiben wir über Kommunikationskanäle.

Kommunikationskanäle zu verstehen und richtig zu designen ist fast wichtiger als die einzelnen Systeme, da sie wesentlich das Funktionieren des Systems bestimmen.

Die Produkte oder Dienstleistungen – oder Zielgruppen, Märkte oder andere Segmentierungen können jeweils ein eigenes operatives System erfordern. In einer Organisation können – und werden – typischerweise mehrere operative Systeme bestehen.

Bei den Illustrationen kann man auch schon den Beginn einer eigenen graphischen Sprache beobachten: tatsächlich wird das operative System als Oval, das Steuerungs-, Meta- oder Management-System als Rechteck und die relevante Umgebung – oder die Nische des Ökosystems – als amöbenartige Form dargestellt.

Erste Einblicke

Eine erste Betrachtung wäre das folgende Diagramm:

Die Elemente darin sind – Die Umwelt, also z.B. die Kunden, der Wettbewerb oder staatliche Regulierungen – Das operative System als die bestimmende Sicht (“das System ist, was es tut”) – Das Kontrollsystem oder die lokale Organisation. Es bedeutet bevorzugt Selbstorganisation, so weit das möglich ist, umfasst aber im Prinzip jede Art von Organisation.

Es zeigt daneben die Beziehungen – zwischen der Umwelt und dem operativen System, als zwei gerichtete Kommunikationskanäle – zwischen dem operativen System und dem Steuerungssystem, ebenfalls als zwei Kommunikationskanäle.

System 2: Information und Koordination

Die Aufgaben von System 2 umfassen die Koordination, also die Vermeidung (“dämpfen”) von Oszillationen, die Sicherung der Kohärenz und die Beilegung, besser Vermeidung von Konflikten bei bestmöglicher Wahrung der Autonomie der operativen Systeme.

System 2 ist ebenfalls dem Ziel verpflichtet, die einzelnen operativen Einheiten zu stärken. Konkret umfasst das die Aufgabe, sie in ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation zu stärken.

Das System 2 ist keine Instanz in der Firma, es ist eine ganze Reihe von Dingen, die die operativen Einheiten unterstützen und die Stabilität sichern, zum Beispiel:

Softwaresysteme

  • Raumbuchung
  • Software-Versionsverwaltung

Rollen von Gruppen und Personen

  • Sekretariat
  • Steering-Komitees
  • Moderatoren und Coaches

Dokumente

  • Richtlinien
  • Corporate Design Standards und Vorlagen

Meetings

  • Planungs- und Review meeting
  • Retrospektiven

Kultur

  • Sprache und Umgangsformen
  • Normen

System 3: Optimierung und Auditierung

Reflexion, Verbesserung, Synergien

Das System 3 kann man am Besten als operatives Management beschreiben. Es beruht auf der Fähigkeit der einzelnen Systeme 1, sich selbst zu organisieren und sich mit Unterstützung der Mechanismen des System 2 zu koordinieren.

Das System 3 hat die Aufgabe, eine übergreifende Sicht bereit zu stellen und aus dieser Gesamtsicht Verbesserungen anzustossen. Dazu muss es mit System 2 und mit den lokalen Steuerungs-Funktionen der einzelnen Systeme 1 kommunizieren.

Stafford Beer beschreibt dieses System als „Inside an Now“: es kümmert sich um das innenleben und Funktionieren der Organisation und stösst Verbesserungen an.

System 3 kreiert damit die Umgebung und den Kontext für eine effektive Zusammenarbeiten der einzelnen operativen Systeme.

Die Kanäle zwischen System 3 und Systeme 1

Die operativen Systeme organisieren sich so weit wie möglich selbst und nutzen die Services des System 2 zur Koordination. Das ist die effektivst Möglichkeit und man kann diese Priorität direkt aus Ashby’s Gesetz herleiten. Man kann fragen, warum dann noch ein übergreifendes operatives Management notwendig ist.

Das System 3 ist notwendig, weil eine reine Selbstorganisation zwischen den operativen Systemen nicht immer ausreicht. Wenn Konflikte um Ressourcen auftreten oder allgemeine Policies umgesetzt werden müssen, kann eine Intervention nötig werden. Dazu verfügt das System 3 über zwei vertikale Kanäle zu den Systemen 1: zum einen den Kanal zur Ressourcenverhandlung und Verantwortlichkeit und zum zweiten den Interventionskanal.

Resource Bargaining and Accountability – Ressourcen-Verhandlungen. Über diesen Kanal werden Ziele diskutiert und Planungen abgestimmt und die entsprechenden Budgets oder Ressourcen verteilt. Ausserdem dient er dazu, die Verantwortlichkeit über die verwendeten Ressourcen einzufordern.

Corporate Intervention – zentrale Interventionen. Über diesen Kanal kann die Autonomie der operativen Systeme eingeschränkt werden. Anders ausgedrückt: er ist ein Kanal für explizite Anweisungen, der nur in Ausnahmefällen verwendet wird – aber für Notfälle muss er vorhanden sein.

Die funktionale Organisation der Firma

In einer Organisation gibt es viele Funktionen, die die Synergie in der Organisation stärken un die eine konkrete Implementierung des System 3 der Firma verkörpern:

  • Finanzen
  • Marketing-Management
  • Finanzen
  • Controlling.

Es liegt nahe, diese Funktionen insgesamt im System 3 einzuordnen. Wenn man allerdings genauer hineinschaut, wird das bild differenzierter. Zum Beispiel werden wir für das Marketing Funktionen an verschiedenen Stellen finden: in System 3, System 2, dem Kommunikationskanal mit dem Kunden und mehr.

Dies beruht darauf, dass die kybernetische Sicht mit Entscheidungen, Kontrolle und Kommunikation andere Strukturen in den Vordergrund rückt als die Betriebswirtschaft mit der Aufbau- und Ablauforganisation. Diese orthogonale Sicht ist ein wesentliches Element für die Stärke, die in der Verwendung von VSM liegt.

Wir werden die Beziehungen im Kapitel (organigramm) noch genauer untersuchen und das Mapping zwischen VSM und SAFe – Strukturen intensiv nutzen..

Research und Auditierung: das System 3*

Ein weiterer Mechanismus ist das System 3* („drei Stern“). Das System 3* ist ein reiner Recherche-Mechanismus, mit dem das System 3 direkte ungefilterte, möglichst zeitnahe Informationen über die operativen Systeme 1 sammelt.

Beispiele für Mechanismen des System 3* sind:

  • Gemba oder „managing by walking around“
  • Revision
  • Direkter Kontakt zu Kunden
  • Umfragen

Die Funktion dieses Systems ist zweierlei: zum einen verhindert es, das durch bewusstes oder unbewusstes Auslassen von Informationen in den Berichte blinde Flecken beim zentralen operativen Management entstehen. Zum anderen liefert es einen reicheren Kontext zur Interpretation von Fakten, wenn das Management direkten Bodenkontakt hat und eine Blick aus dem eigenen Silo heraus hat.

System 4: Aufklärung

Die Funktion des System 4

Mit den bisher besprochenen Steuerungssystemen haben wir eine funktionierende Organisation – wenn es keine Änderungen in der Umgebung gäbe. Die Systeme 1-3 stellen die Mechanismen bereit, eine Firma zu stabilisieren und am Laufen zu halten. Wir haben aber noch keine Vorkehrungen gesehen, die auf tiefe Änderungen reagiert oder sie sogar antizipiert und anstößt.

Diese Vorkehrungen finden wir im System 4.

Während sich das System 3 nach innen wendet und als Fokus die laufenden Aktivitäten und die bestehende Organisation hat, wendet sich das System 4 den Blick nach aussen und in die Zukunft – mit den Worten von Stafford Beer ist es das System „Outside and Then“.

Beispiele für Funktionen des System 4 umfassen

  • Forschung und Entwicklung
  • Beobachtung der Konkurrenz
  • Strategische Personalplanung
  • Arbeiten in Verbänden und Netzwerken
  • Strategieentwicklung

Spätestens hier wird deutlich, dass jedes dieser Beispiele sowohl fachliche als auch finanzielle Konsequenzen hat und damit eine Querschnittfunktion durch die typische Arbeitsteilung in traditionellen Organisationen darstellt.

Mögliche Zukünfte

Ein spezifisches Konzept ist noch erwähnenswert: man redet von einer spezifischen Erweiterung der Umgebung, den „möglichen Zukünften“. Das ist vergleichbar mit der Arbeit in Szenarien, es ist aber eine nützliche Perspektive, diese Zukünfte explizit in den Kontext der Umgebung oder des Ökosystems zu setzen..

Konflikte und komplementäre Sichtweisen: System 3 und 4

Das Schaubild zeigt die starken Interaktionen zwischen den Systemen 3 und 4, die ja in gewisser Weise komplementäre Sichten vertreten: auf der einen Seite die Kräfte des Bestehenden, die die Organisation am Laufen halten wollen – das ist die Kernfunktion der Firma und auf der anderen Seite die Mahner, dass sich etwas verändern muss, weil sonst Stillstand und Bedeutungsverlust droht.

Die operative Seite – System 3 –  verweist darauf, dass sie schliesslich das Geld verdienen und die Seite der Veränderer mahnt, dass die anderen die Zukunft verschlafen. Beide haben valide Punkte, und aus der produktiven Spannung ergibt sich eine gesunde Mischung aus Stabilität und Weiterentwicklung.

Es kann aber auch sein, dass dieser Konflikt eskaliert oder dass sich Fraktionen bilden, die sich eingraben und nicht mehr miteinander austauschen. Dann wird ein Moderator notwendig, der die verschiedenen Interessen ausgleicht. Hier kommt das System 5 ins Spiel.

System 5: Identität

Das System 5 ist der ultimative Moderator, Chef, Entscheider.

Seine Funktion ist es, einen Nordstern, eine allgemeine Richtung, eine Identität zu repräsentieren.

Das bietet dann eine Grundlage, etwa Konflikte zwischen Kurzzeit-Zielen des operativen Management, dem System 3 und längerfristigen Zielen, des System 4 zu moderieren.

Wenn man sich das VSM Diagramm vor Augen führt, sieht man, dass das System 5 Zugriff auf die Systeme 3 und 4 hat und zusätzlich auf die Kanäle, die diese beiden verbinden. Es repräsentiert die logische Tatsache, dass bei allen Entscheidungen die Identität mitschwingen muss.

Das System hat auch eine ultimative Veto- oder Anweisungsfunktion, um sicherzustellen, dass der globale Zweck nicht durch lokale Entscheidungen und Maßnahmen konterkariert wird. Damit es diese Funktion sicher wahrnehmen kann, ist noch ein weiterer Kanal nötig: der algedonische Kanal.

Der algedonische Kanal

Algedonisch ist ein Kunstwort des VSM und er ist eine Mischung aus Schmerz und Belohnung.

Er stellt sicher, dass bedrohliche Situationen oder aussergewöhnliche Gelegenheiten das Senior Management in realtime erreichen und es entsprechend darauf reagieren kann.

Umgehen mit Optionen

  • In der Kybernetik die zentrale Erkenntnis von Ashby’s Gesetz[^1] von der erforderlichen Varietät: „Je größer die Varietät (oder die Optionen) eines Systems ist, desto mehr kann es die Varietät (oder die Menge der Überraschungen) seiner Umwelt durch Steuerung vermindern.“
  • das heisst: schnell genug und genug Optionen
  • Selbstorganisation lokal und vor Ort

Varietät und Ashby’s Gesetz

Das Konzept der Varietät von W.Ross Ashby bezeichnet in der Kybernetik die Menge der verschiedenen Elemente eines Systems, z.B. der Zustände oder Nachrichten. Sie ist, salopp gesprochen, ein Maß dafür, wie viele verschiedene “Überraschungen” zu erwarten sind. Je höher diese Zahl ist, umso größer muss das Repertoire des Empfängers für Reaktionen sein. In Kybernetik Sprech heisst das: die Eigen-Varietät des Empfängers, also die Menge seiner Komponenten und Ressourcen, muss gross genug sein, die Varietät des Kommunikationskanals zu handhaben.

Je größer die Varietät eines Systems ist, desto mehr kann es die Varietät seiner Umwelt durch Steuerung vermindern. Ashby’s Gesetz

In VSM wird von der Regulierung von Varietät gesprochen. Das bedeutet, z.B. die Filterung von Nachrichten in einem Kanal, um die Varietät aus ein Maß zu begrenzen, das der Empfänger handhaben kann.

Die Varietät spielt in der Kybernetik eine wichtige Rolle, sowohl als theoretisches Konzept zum Verständnis von Komplexität, Organisation und Regulierung in Systemen als auch als nützliches Werkzeug zur Konzeption von Systemen.

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